Wie bin ich zum Licht gekommen?

 Nach dem Hinauswurf aus dem Gymnasium der Jesuiten in Linz war ich eine Zeit lang Schriftsetzer. Eine herbe Erfahrung, aber man kommt früher oder später mit den Druckfarben in Berührung. Die Druckfarben haben etwas, was andere Farben nicht haben: sie sind lasierend. Verständlicher gesagt, sie sind lichtdurchlässig, sofern man mit ihnen arbeitet wie im Druck, nämlich die Farben mit Rollen hauchdünn aufträgt. Man kann damit schnell und grossflächig arbeiten. Mein grösstes jemals gemaltes Bild war 10 x 40 Metern(!) und schwamm lag des Festivals der Regionen 1995 im Attersee. Meine Devise lautete immer: „Ich male wie gedruckt, aber ich drucke nicht.“ Um das zu erreichen, was ich wollte, nämlich ein gemaltes Objekt im Raum, musste mein Malgrund weiss oder transparent sein. Ähnlich den gewaltigen Fenster in den gotischen Kathedralen waren meine Bilder ebenfalls Teil des Raums. Denn Bilder, die im Licht leuchten, hängt man nicht an die Wand, sie sind Wand, leuchtende Wand. Von da an war es nur noch ein kleiner Sprung zum LichtObjekt. Wie von selbst bekamen die bemalten Bilder im Raum auf einmal Körper. Körper, die von innen beleuchtet wurden und somit einen auf einfachen Formen basierenden LichtKörper ergaben, ein LichtObjekt war geboren.

 

Warum bin ich ausgerechnet zu den Kakteen gekommen?

 Es war auf einer Reise in den Südwesten der USA, nach Arizona, da habe ich sie zum ersten Mal gesehen, die „Giganten der Wüste“, die Saguaro-Kakteen. Vom ersten Augenblick an haben sie einen Respekt in mir ausgelöst, einen Respekt vor einem Lebewesen, das seiner feindlichen Umgebung trotzt. Auf der einen Seite wehrt er sich seine Feinden mit den Stacheln, auf der anderen Seite ist er vielen Lebewesen mit seinem Feuchtigkeitsgehalt (bis zu 5 Tonnen Wasser) ein Retter in der Not. Dieser symbolische Charakter hat es mir angetan und damals hat sich in mir die Idee verfestigt, den Kaktus als Metapher des Überlebens in einer Zeit der geistigen Dürre einzusetzen. Mit einem simplen Stück Maschendraht und einer Lichtquelle habe ich erstmals einen LichtKaktus erschaffen, dessen Wirkung verblüffend war: der Draht schien zu glühen, jedoch der Draht reflektierte nur das Licht, mit dem er bestrahlt wurde. Bei Tag war er kaum auszunehmen, bei richtigem Lichteinfall glänzte er mitunter silbrig, aber in der Nacht zeigte er seinen ganzen Reiz. Die LichtKakteen werden ständig verbessert. Der neue LichtKaktus im Topf ist leicht transportierbar und „besticht“ zumindest optisch durch seine Stacheln aus Kabelbindern. Die Kabelbinder-Stacheln verdrängen sowohl bei Tageslicht als auch bei künstlicher Beleuchtung den verzinkten Maschendraht, die Stacheln scheinen bei gewisser Entfernung zu schweben. Ein Stachel-Objekt, das durch sein Licht eine besonders anziehende Note hat. Und das Licht endet nicht mit dem Objekt, sondern gleitet sich durch die offene Form hindurch und zeichnet ein irritierendes Licht an Decken und Wände.

 

Was fasziniert mich so am Licht?

 Je mehr man sich mit Licht beschäftigt, desto weniger lässt es sich fangen. Jede neue Arbeit bringt eine neue Erkenntnis. Kaum glaubt man, man ist ein Stück weiter, wird man beim nächsten Mal wieder zum Start zurückgeworfen. Lange schon glaube ich nicht mehr alles, was ich sehe. Eine meiner Standardantworten lautet: „Ich spiele nicht mit Licht, es spielt vielmehr mit mir.“ Und ich glaube, das trifft den Kern der Sache.

Was mich am Licht immer verstört, ist weiters die Tatsache, dass es zu viel Licht gibt auf der Welt. Ich bin der Meinung, dass wir zuviel Licht in unserer Umgebung einsetzen. Es sollte mehr „Licht-Ruhezonen“ geben auf der Welt. Der „Licht-Lärm“, den wir erzeugen, ist störend und schädlich, vor allem für die Tiere. Was für die Tiere schlecht ist, kann auch für den Menschen nicht gut sein. Mein Atelier ist in gewissem Mass eine „Licht-Versuchsanstalt“, ist fern einer Siedlung und nahe am Wald. Bei jedem  Zuviel an Licht im Garten protestiert die nachbarliche Tierwelt, will mir sagen: „He Mensch, wir wollen schlafen, glaubst du, du bist allein hier?“ Dabei setze ich Licht sehr sparsam ein. Die Blender sitzen in den städtischen Ballungszentren, die mit einem Übermass an Licht die nächtliche „Lichtruhe“ stören und Lichtkaskaden in die Nacht schleudern.

 

 

Christoph Luckeneder:

 

Ein mystischer Erheller

 

Seit Künstler sich in den Kampf mit der Materie stürzen, wollen sie Stein, Bronze, Farbe und welchen Werkstoff auch immer besiegen. Kunst hat aber mehr zu sein als Kunsthandwerk, mehr als der virtuos-dekorative Umgang mit Stoffen. Sieht man sich die Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts an, fällt ein besonders starker Drang des 20. Jahrhunderts auf, die Grenzen des Materiellen zu durchbrechen und zu überschreiten. Mittelalterliches und futuristisches sowie religiös-spirituelles Kunstwollen scheinen sich im Werk bestimmter Expressionisten zu begegnen. Man blicke nur in die ikonenhaften Gesichter eines Georges Rouault oder Alexeij Jawlenski. Die Beschwörung des Mystischen ist eine Hauptbeschäftigung der Moderne, und nicht nur gegenständliche  Künstler haben sich bei der Suche nach der „anderen Welt" hinter dem Sichtbaren beteiligt. Die abstrakte „Ecole de Paris wollte dieses Andere, Höhere, Erhebende, wenn man so will „Himmlische", ebenso enthüllen wie Vertreter des abstrakten amerikanischen Expressionismus, darunter ein Mark Rothko. Auch Osterreich hat Künstler mit Drang (manchmal Zwang) zum Höheren. Es gibt den Verhüller und Übermaler Arnulf Rainer — einer der verkannten großen religiösen Künstler unserer Zeit. Und es gibt Christoph Luckeneder. Der Oberösterreicher reiht sich nahtlos ein in den Kreis dieser künstlerischen „Fahnder" nach einem Jenseitigen, das sich im glanzvollen Diesseitigen spiegelt. Luckeneder ist dabei kein Verdunkler wie viele Mystiker, sondern ein Erheller. Sein Element ist die leuchtende Farbe, der grandiose Malakt, kurz, das ekstatische Abtauchen in den Pool der Pigmente. Und wenn der malerische Tribut an das Licht und den Glanz die Möglichkeiten des Papieres und der Leinwand sprengt, lebt Luckeneder seine Sehnsucht nach leuchtender Materie in Licht-Installationen aus. Transparente Farbsubstanz auf lichtdurchlässigen Bildträgern — dieses Prinzip ist Jahrhunderte alt. Für die Künstler der Gotik war das durch die Kathedralen fallende Naturlicht Gott gleichgesetzt. Ein Teil dieses spirituellen Kunstverständnisses fällt auch auf die Raum- und Freiluftinstallationen Luckeneders, wie sie mittlerweile bei grossen Events europäischer Metropolen zu sehen waren*).

 Man sollte diesen Aspekt des Ekstatischen nicht überstrapazieren, aber die Verwandlung der subjektiv eingesetzten Farbe in das Medium eines Objektiven, Allgemeingültigen, ist in jeder abstrakten Kunst angelegt. Christoph Luckeneder ist in seinen Arbeiten diesem Geheimnis der Farbe auf der Spur und in ihr Innerstes eingedrungen — wie die Glasfensterkünstler, die deutschen Romantiker und die Künstler der klassischen Moderne, die sich ganz von der irdischen Welt verabschiedet haben. Luckeneder ist ganz und gar ein Künstler der Moderne, aber um seine Arbeiten weht ein Hauch der Geschichte.

 Dr. Anton Gugg

 anlässlich der Ausstellung in der Galerie Schloss Mondseeland, Sept 2000

 

*) Anm.: wie z.B. beim Light Festival Berlin 2011, bei der Triennale der Schweizer Skulptur 2012 und dem Moscow Light Fest 2014

 

 

Der Kunsthistoriker MMMag. H. Nitsch aus Linz (AT) beschreibt die Erscheinung des LichtKaktus im Katalog von 2005:

 

„Die Sichtweise und der Blickwinkel auf die einfache Gestalt eines Kaktus inklusive der damit ausgelösten Assoziationsketten wird nicht nur durch das Drahtgeflecht, sondern auch durch die Reflexion des Lichtes neu möglich. Die Faszination des Menschen beim Erfahren des Stoffes Licht erhält eine neue Facette, die der Entwicklungsgeschichte des Lichts etwas hinzufügt, was die Wahrnehmung und die menschlichen Sinne neu fordert und reizt. Das Material selber ist je nach Tageslicht und Lampenstärke in seinen Eigenarten erfahrbar und bietet einen neuen Zugang zum Thema Kaktus und Licht. Fernab von diesen Fragen stehen sie inzwischen an verschiedenen Orten da und tragen an sich die Spuren eines bedrohten, offenen Lebens, sind aber manchmal auch schon entrückt. Entrückt in eine Sphäre, auf die wir nur staunend/fragend/lächelnd reagieren können.“